Wunderkind Erjan

Hamid Ismailov

Wunderkind Erjan


150 S., 20,5 cm
Friedenauer Presse 2022
Hc. 20,00 EUR


Durch die Weite der Steppe Kasachstans fährt ratternd ein Zug. In ihm begegnen sich ein Reisender und Erjan, das Wunderkind. Der Knabe spielt mitten in dieser vom Zug durchquerten Einöde so virtuos auf seiner Violine, dass nicht nur dem Erzähler Hören und Sagen vergeht. Doch die Musik bleibt nicht das einzige Wunder. Denn der Junge, der aussieht wie zehn oder zwölf, ist in Wahrheit bereits ein Mann von 27 Jahren.

Als Kind tauchte er allen Warnungen zum Trotz in einen nuklear verseuchten See. Hamid Ismailov versetzt damit das Blechtrommel-Motiv des Immer-Kind-Bleibenden in die Einöde des zwischen 1949 und 1989 von 468 Atombombentests verseuchten Kasachstan und gibt ihm eine herbe Intensität von tiefer Schönheit. Zwei Welten prallen darin aufeinander: die Weite und Einsamkeit der Steppe Kasachstans und die moderne Welt außerhalb davon - der Zug, der diese wie stehen gebliebene Welt täglich durchfährt, die Atomtests, die wie eine unsichtbare Macht die Natur und die Menschen verändern, die Musik, die einen anderen Rhythmus in dieses Leben bringt.


Hamid Ismailov wurde 1954 in Tokmok im Norden Kirgisistans, an der Grenze zu Kasachstan geboren. Als junger Mann ging er nach Usbekistan, wo er die Militärschule absolvierte; 1992 musste er das Land aufgrund seiner politischen Uberzeugungen verlassen. Seit 1994 lebt er in London, wo er bis 2019 als Journalist für den BBC World Service arbeitete. Anfang der 1990er-jahre begann er, zusammen mit dem französischen Komponisten Michel Karsky mit Musik zu experimentieren. Seine Bücher sind vielfach ausgezeichnet und in viele Sprachen übersetzt, in Usbekistan sind sie bis heute verboten.


Nominiert für den Preis der Leipziger Buchmesse 2022 in der Kategorie Übersetzung (Shortlist). Übersetzung von Andreas Tretner.