Friedrichs Tafelrunde & Kants Tischgesellschaft

Ursula Pia Jauch

Friedrichs Tafelrunde & Kants Tischgesellschaft


Ein Versuch über Preußen zwischen Eros, Philosophie und Propaganda
374 Seiten mit zahlreichen Illustrationen
Matthes & Seitz 2014
geb. mit Schutzumschlag EUR 29,90


Ursula Pia Jauch nimmt in ihrem scharfsinnigen Essay das Sonderschicksal der deutschen Aufklärung ins Visier und zerschlägt nebenbei Porzellan aus Preußischem Kulturbesitz.
Verkürzt und kompiliert aus dem "Nachgetrage-nen Vorwort" der Autorin (sie verfasste es in Erwartung der "Akademischen Erschießungs-kommandos"):

Friedrich hatte die kühnsten Denker Europas wie Trophäen um sich versammelt, aber dass etwas von diesem allerdings radikalaufklärerischen Gut gegen außen drang, das war tunlichst zu vermeiden. Nur Voltaire hat den publizistischen Zweikampf gegen Friedrich gewonnen. Und nicht zuletzt ging gerade auch Friedrich unter die anonymen Autoren. Wer meint, der 'große' Preußenkönig habe in seinem graphomanischen Furor nur Oden, harmlose Apercus und philoso-phische Trostworte verfasst, täuscht sich gewaltig.

Zwischen den Zeilen zu lesende Kassiber, verschlüsselte Botschaften, außen Glanz und innen seelische Verschattung. Sanssouci ist ein Überwachungsstaat mit Gesinnungskontrolle, und wenn das Glück doch einmal auf Potsdam fällt, dann in der philosophischen Imagination. Symptomatisch ist dafür Julien Offray de La Mettrie, der heimlich eine 'Abhandlung über das Glück' (eine panerotische Toleranzschrift) schreibt, an Friedrich vorbeischmuggeln und anonym drucken lassen kann; dito seine 'Art de jouir', die von den Lüsten träumt und mit der Kunst der Imagination gegen das preußische Daseinsdesaster ankämpft.

Statt Arkadien und Cythera Drill, Despotismus, Kälte und Verstellung. Der preußische Untertan Kant hat für Arkadien unendlich viel mehr getan als der sich hinter der Kulisse von Sanssouci zum Krieg rüstende Friedrich. Der Obrigkeitsstaat operiert auch in Königsberg mit Zensur, Spitzeln und Geheimpolizei. Unter der Hand begannen die beiden Symposien, ein subtiles Eigenleben zu entwickeln. Auch in Kants Tischgesellschaft regiert die Aura des Klandestinen, der Tarnung. Dass beide den Eros nicht an die Kandare der christlichen Sexualmoral genommen haben, gehört zu den sie verbindenden Geheimnissen.


Ursula Pia Jauch, geboren 1959, ist Professorin für Philosophie an der Universität Zürich. Ihr Forschungsschwerpunkt ist die clandestine Philosophie des 18. Jahrhunderts.